

Neid – kennst Du das? Die Antwort darauf kann ganz unterschiedlich ausfallen. Diejenigen die sagen: Ja, kenne ich. Und diejenigen, die sagen: Nein, das kenne ich nicht. Diejenigen die Nein sagen, denen glaube ich das nicht. Warum? Neid ist ein so stark negativ belastetes Gefühl, dass die wenigsten Menschen es überhaupt zugeben wollen. Wenn es dann auch noch um ein so sensibles Thema wie Kinderwunsch geht, dann erst recht nicht. Neid ist etwas, das „darf“ man einfach nicht empfinden. Es gehört sich nicht! Im christlichen ist es sogar 1 der 7 Todsünden.
Wie also, sollte man ein solches Gefühl annehmen und auch zugeben wollen/können. Das kann ich absolut verstehen. Nur, wenn jemand behauptet Neid, nicht zu kennen, dann glaube ich es einfach nicht.
Warum empfinde ich Neid?
Neid können wir sooft im Alltag empfinden. Wir sind neidisch auf das Aussehen, den neuen Job, den tollen Urlaub, das teure Auto, die schicke Kleidung, die viele Freizeit usw. Die Liste könntest Du beliebig lang fortsetzten. Und zwar deshalb, weil wir Menschen Neid empfinden. Wir empfinden es weil wir selbst einen Wunsch, eine Vorstellung, einen Traum haben und genau dies bei jemand anderem sehen. Wir möchten es auch haben. Wir sind neidisch. Der Neid, kann nun ganz klein sein, so dass wir „nur“ neidisch sind und es uns auch wünschen, oder er kann ganz ausgeprägt sein, und wir vergönnen es dem anderen nicht und wünschen ihm etwas schlechtes, wie z.B. eine Kündigung.
In dem speziellen Fall von einem bisher unerfüllten Kinderwunsch kann dieses Gefühl von Neid, eine komplette abwärts Spirale auslösen, bis hin zur Depression. Beim Neid empfinden wir einen Gefühlsmix, bestehend aus Wut, Trauer und Angst. Gefolgt wird das ganze meist von unseren Schuldgefühlen, da wir solch ein schlechtes Gefühl wie Neid, nicht empfinden wollen, da man dies nicht tut. Du siehst schon, dass alles ist ein sehr gefährlicher und explosiver Bereich.
Kann ich Neid vermeiden?
Nein, Neid kannst Du nicht vermeiden. Es ist ein Gefühl. Das wäre das gleiche, wenn ich zu Dir sage: Du darfst Deinen Mann nicht lieben. Liebe ist genauso ein Gefühl und lässt sich nicht durch unseren Kopf einfach ausschalten.
Wie entkomme ich dem Neid?
Dass ist die große Frage. Du kannst dem Gefühl von Neid nicht entkommen. Du kannst nur die Form des Gefühls lenken. Grundsätzlich ist es auch wichtig zu wissen, dass wir nur auf das Gefühl, welches wir dem anderen unterstellen, neidisch sind. Wenn wir erfahren, dass die beste Freundin ungeplant schwanger wurde, dann unterstellen wir ihr sehr wahrscheinlich folgendes: Jetzt ist sie der glücklichste Mensch auf der Welt; sie weiß ihr Glück gar nicht zu schätzen; sie weiß nicht welches Glück sie hat; Was wir dabei völlig ausblenden ist, dass die Freundin evtl. nichts davon empfindet, dass sie am Ende sogar unglücklich ist. Denn das, worauf wir neidisch sind, dass ist das Gefühl, welches wir glauben zu haben, wenn wir denn selbst dies hätten. Wir möchten der glücklichste Mensch auf Erden sein und selbst schwanger sein, mit unserem Baby. Wir möchten gar nicht ihr Baby, oder ihre Situation, sondern wir möchten unseren Traum, den wir ihr unterstellen zu haben und auch das Gefühl dazu.
Schritt 1 gegen den Neid
Im 1 Schritt solltest Du die einzelnen Stationen von Neid annehmen und nicht dagegen ankämpfen. Fühle die Wut darüber, dass Du noch nicht schwanger bist und lass sie, in einer geschützten Umgebung, zu. Fühle die Traurigkeit darüber, dass der Traum vom eigenen Baby noch nicht erfüllt ist. Danach kommt die Angst, ob es jemals klappen wird. Und jetzt solltest Du stoppen. Lass das Gefühl der Schuld gar nicht erst aufkommen, lenke Deine Empfindungen nicht in diese Richtung. Ein Kinderwunsch ist eine wichtige Entscheidung im Leben, die man nicht alle 5 Minuten ändert. Wenn dann hier, nachdem man es sich genau überlegt hat, plötzlich Probleme auftauchen, die andere „scheinbar“ nicht haben, dann hat man es mit starken Gefühlen zu tun. Und diese Gefühle gehören zu uns, und diese solltest Du annehmen und zulassen. Erst wenn man sie angenommen hat und wirklich gefühlt hat, kann man weiter gehen. Es ist vergleichbar mit der Trauer, wenn ich um einen geliebten Menschen nicht trauern konnte, dann konnte ich auch nie richtig Abschied nehmen.
Schritt 2 gegen den Neid
Sprich es offen und ehrlich aus. Nimm Deine Gefühle an und erkenne auch Deine eigenen Bedürfnisse. Sag Deiner Freundin, dass Du Dich unglaublich für sie freust, und es ein wundervolles Geschenk ist, welches Du unglaublich gerne selbst auch erleben möchtest. Aber jetzt gerade bist Du davon komplett überfordert, und Du brauchst ein bisschen Abstand von diesem Thema. Wie lange der Abstand dann dauern soll, hängt natürlich von der Intensität eurer Freundschaft ab. Ist es Deine beste Freundin und ihr habt Euch 4 mal die Woche gesehen, dann wäre eine dreimonatige Auszeit auch extrem verletzend für sie, und etwas zu viel des Guten. Hier ist eine offene und ehrliche Kommunikation zwingend erforderlich. Sprich ganz offen über Deine Gefühle und dass Du erst alles mal aufarbeiten möchtest. Im Gegenzug hör auch Deiner Freundin offen und ehrlich zu und findet dann Euren Weg. So kann man Freundschaften durch den Kinderwunschweg behalten.
Ein großes Problem bei diesem 2. Schritt besteht, wenn Du mit niemandem über Deinen Kinderwunsch, und die dabei entstandenen Probleme, gesprochen hast. Hierbei hast Du zwei Möglichkeiten, entweder Du erklärst dies nun und gehst dann zu Schritt 2 über, oder Du schweigst und musst Schritt 2 improvisieren. Das improvisieren würde dann mit dem Partner stattfinden. Sag ihm alles und finde mit ihm einen machbaren Weg, im Umgang mit der Freundin.
Schritt 3 gegen den Neid
Was habe ich gutes in meinem Leben? Wofür kann ich heute dankbar sein?
Stell Dir wirklich bewusst diese Fragen und beantworte die zweite jeden Tag mit mindestens 5 Antworten. Das erfordert etwas Übung und auch Überwindung. Aber es ist wichtig zu erkennen, dass Dein Leben gut ist, dass Du täglich etwas hast, wofür Du dankbar sein kannst. Erfreue Dich an dem hier und jetzt. Es könnte z.B. eine Blume am Wegesrand sein, ein Lächeln eines anderen Menschen, eine Nachricht einer guten Freundin, eine schnell gelungene Aufgabe usw. Hierzu fällt Dir sicherlich etwas ein, schreibe es Dir auf, und mache es Dir dadurch bewusst. Dein Leben ist gut!
Schritt 4 gegen den Neid
Was für einen Vorteil habe ich gegenüber denjenigen, wo ich Neid empfinde?
So absurd das klingt, versuch die Frage zu beantworten. Und ich weiß, das hört sich bescheuert an, denn was soll es für einen Vorteil haben, kein Baby zu haben, wenn ich nichts anderes als das will?
Na, was ist Dir eingefallen? Du kannst ein richtig gutes Medium Steak essen 😉 Du kannst ausgehen, ins Kino gehen, schick essen gehen usw. Du kannst einen romantischen Urlaub erleben. Du hast Zeit um gute Bücher in Ruhe zu lesen. Du kannst am Wochenende ausschlafen. Jetzt fallen Dir bestimmt ein paar Dinge ein, oder?
Was nun ganz entscheidend ist: TU ES!
Setz diese Dinge um, Lebe Dein Leben! Friere Dein Leben nicht komplett ein, während der Kinderwunschzeit. Erfreue Dich an diesen Punkten, die Du aufgeschrieben hast. Erlebe sie ab morgen, ganz bewusst!
Schritt 5 gegen den Neid
Wiederhole Schritt 1 bis 4 jedes Mal wenn Du eine Schwangere siehst. Immer wenn Du einen Stich empfindest, obwohl es nur eine Fremde war. Irgendwann hast Du Dich selbst „umprogrammiert“ und die Schritte 1-4 laufen nicht mehr innerhalb von mehreren Tagen oder Wochen durch, sondern innerhalb weniger Minuten, und Du bist gut gerüstet für Deinen Alltag und auch im Umgang mit Deinen schwangeren Freundinnen.
Fazit:
Bestrafe Dich nicht selbst noch mit Schuldgefühlen. Neid ist ein ganz menschliches Gefühl. Nimm es an, verarbeite es, und Lebe Dein Leben glücklich und bewusst.
Alles Liebe
Tanja
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Vielen, vielen Dank für diesen Artikel.
Ich werde die Schritte ab heute umsetzen. Ich bin gespannt, ob ich meine Gedanken umprogrammieren kann.
Eine gute Freundin von mir ist – nach dem 1,5 Jährigen Sohn – im 1. ÜZ gleich wieder schwanger geworden. Bisher habe ich mir ihr gegenüber nur verkrochen und eine Nachricht von ihr ignoriert, weil mich das in Anbetracht der eigenen Situation so verletzt.